Dienstag, 14. August 2007

schnüffeldroge

In meinem allerersten Traum, der mich unverändert wiederkehrend durch meine Kindheit begleitete, erschien mir stets eine netzartige, fasrige Struktur in einem grau-beigen Farbton, ich hörte ein tiefes Brummen, verspürte ein Gefühl, dass sich, wie ich Jahre später ganz nebenbei herausfand, nur dann einstellt, wenn ich mir einen Teelöffel mit der gekrümmten Seite nach oben an den Gaumen presse und ihn so weit nach vorne ziehe, dass er zwischen den Zähnen stecken bleibt, und roch einen metallischen Geruch, ähnlich dem von stockendem Blut an heißen Sommertagen.

Auch heute denke ich, selbst im Wachzustand, in Gefühlen, vorallem aber in Bildern kombiniert mit Geruchseindrücken.

Meine frühen Jahre riechen nach Rosenöl, Patchouli, Tigerbalsam, rostigen Warmwasserboilern und Bratkartoffeln. Wien riecht nach dem kalt gewordenen Rauch selbstgedrehter Zigarretten, abgewetzten Kinositzen, Maschinenöl, Herbst, feuchtem Karton und Pommes. Bahnhöfe nach Abschied und Krankheit, nach alten Menschen, Mülltonnen und Freiheit. Vergorene Silberzwiebel riechen wie potenzierte Kotze. Der Duft von frischem Heu ist fröhlich, während feucht gewordenes Heu pilzig und depressiv riecht. Katholisch ist eine Komposition aus Weihrauch, linoliumausgelegten Stiegenaufgängen, schlechtgelüfteten Räumen, kratzigem Stoff, Urin und einem Hauch von welkendem, weißem, sehnigem Fleisch und irgendwas Fischigem. Oder "Single-Frau-über-30-mit-Katze". An einer Zahnarztassisstentin roch ich das zum ersten Mal. Frustrierter Schweiß, der aus allen Poren dringt, das süßliche Odeur von überschüssigem Östrogen gepaart mit Katzenmief (Zwar heißt es, dass Katzen im Gegensatz zu Hunden nicht stinken, aber diese olfaktorische Unaufdringlichkeit mit einem Schuss Erde, ist für mich schlimmer als die Mischung aus ranzigem Lanolin und vermoderndem Stoff, die Hunde verströmen. Dabei macht mich der Geruch von Wollfett üblicherweise recht unruhig, ungewaschene Haare etwa riechen spätestens nach 2 Tagen wie alte Penatencreme oder nasses Schaf). Wobei Frauen generell eine penetrant süße Ausdünstung verbreiten, zumindest die Frauen, inklusive mir selbst, an denen ich bislang geschnuppert habe.

Und dann gibt es diesen einzigartigen Geruch: Abenteuer, Vertrauen, eine Prise Moschus vielleicht, ein nackter, warmer Rücken, Sex, Kaffee und Träume. Besonders in der Furche zwischen Schlüsselbein und Halsansatz, hinter den Ohrläppchen und dem Bogen den der Brustmuskel umschreibt, bevor er in die Achselhöhle mündet. Alle haben sie dort recht intensiv geduftet. Der eine hatte "Davidoff cool water" aufgelegt, der andere "CK one", doch darunter rochen alle, die mich zu faszinieren vermochten, wenn auch in unterschiedlich starker Ausprägung, gleich.

Gäbe es "Mann" als Eau de toilette oder Duftbäumchen fürs Auto, ich würde sämtliche Parfümerien leerkaufen.

Trackback URL:
https://geleeroyale.twoday-test.net/stories/4164851/modTrackback

Etosha - 15. Aug, 10:30

*applaudier* :)
Zuweilen erschwert mir leider eine Scheidewandverkrümmung das Riecherlebnis. Tragisch, denn Gerüche sind auch bei mir die Essenz des Lebens.
Interessant: Heimzukommen und für kurze Momente jenen gemeinsamen Eigenduft wahrzunehmen, mit dem man zu zweit das Haus füllt, den man aber schon nach kürzester Zeit des Daheimseins nicht mehr wahrnimmt.

MoniqueChantalHuber - 16. Aug, 18:35

bei mir isses die elende raucherei, die nebenbei auch das geschmacksempfinden trübt.

eigengeruch ist in der tat ein faszinosum, weil man ihn nur nach abwesenheit wahrnimmt. mich erschreckt mein wohnungsgeruch immer wieder aufs neue, der ist so... so.. so waldorfschulartig.
Au-lait - 16. Aug, 16:04

Solche Texte, springen direkt in mein Vomeronasalorgan, dringen tief ein und entwickeln synästhetisch-bezirzende Wirkungen. Die hirninterne Duftverarbeitung ist eine der lebendigsten, umtriebigsten und verknüpfendsten Bereiche meines Hirns. Noch heute springt mir, rieche ich Braunkohle, das Erleben des herbstkalten Bahnhofs in Minsk wieder ins Gedächtnis. Und alle Erlebnisse drum herum. Noch gestern roch ich wieder "Ralph Lauren", das Parfüm meiner Ex-Freundin, an einer anderen Frau, die zumal genauso hieß wie besagte. Und prompt spielten die Synapsen wieder Völkerball, knallten sich gegenseitig über den Haufen und turnten bunt durcheinander. Und das, obwohl die Geschichte eigentlich seit Jahren abgefrühstückt ist. Ihr Geruch darunter glich nicht den Gerüchen anderer Frauen, zu denen ich mich hingezogen gefühlt habe, vielleicht aber auch ist es meines Mannseins Pech, dass ich einfach auch nicht ganz so gut und differenziert wie eine Frau riechen kann. Was ich indes kann und zu Recht und gerne tue, ist diesem Text meine Ehrerbietung zu erweisen für die Famosität seines Daseins.

MoniqueChantalHuber - 16. Aug, 18:29

wunderbar feinabgestimmt deine worte und mir ist doch wieder nur nach schlacksigen formulierungen. dir kann man aber auch nichts vormachen (was von kritischem leseverhalten zeugt und ansich sehr löblich ist). natürlich rochen sie nicht alle gleich.
mangels versuchssobjektes sowie aufgrund der schwierigkeit, duftnoten aus der erinnerung zu rekonstruieren und exakt zu benennen, hab ich ganz dreist pauschalisiert. den heftigsten geruchseindruck hinterließen die beiden, die zu gleichen teilen sowohl herb als auch nach babyhaut rochen (sowas darf man natürlich dem beschnüffelten objekt der begierde nicht mitteilen, regt eine solche aussage doch zu mutmaßungen an, die weibliche biologie wäre nicht mehr unter kontrolle). andere ausdünstungen waren viel schwächer, milder, unreifer und dennoch hinreißend. doch die basis, der hauch einer idee, der grundduftstoff aus dem meine nasalen idealvorstellungen sind, war, soweit ich mich entsinne, immer derselbe.

privataudienz

Du bist nicht angemeldet.

der pöbel unter sich

Ich finde die beamtenhaft...
Ich finde die beamtenhaft anmutende Pause in diesem...
bob (Gast) - 23. Dez, 10:14
Das ist doch unglaublich....
Das ist doch unglaublich. Glaub ich.
textorama (Gast) - 22. Sep, 17:11
Wohl eher ein naturhysterisches...
Wohl eher ein naturhysterisches Diorama. Die beiden...
textorama (Gast) - 22. Sep, 17:10
gemüsehunger, immer zur...
gemüsehunger, immer zur unzeit... längst licht aus...
p. (Gast) - 9. Aug, 04:03
gemüsefach hatte an dem...
gemüsefach hatte an dem tag bereits geschlossen.
MoniqueChantalHuber - 6. Aug, 07:58
auf n sprung ins gemüse?
auf n sprung ins gemüse?
p. (Gast) - 6. Aug, 03:56
klammern halten die großen...
klammern halten die großen scheine einfach besser zusammen.
MoniqueChantalHuber - 3. Aug, 16:08
Klammern anstatt Rettungsschirm,...
Klammern anstatt Rettungsschirm, sehr clever.
mq (Gast) - 2. Aug, 09:08
eine fabelnhafte idee.
eine fabelnhafte idee.
MoniqueChantalHuber - 1. Aug, 22:30
Ich überlege gerade,
ob es nett wäre, wenn sich könig egon ladislaus froschojewsky...
schreiben wie atmen - 1. Aug, 22:18

kundmachung

dieser weblog basiert im wesentlichen auf texten, fotos sowie illustrationen von MoniqueChantalHuber und alter egos. moralisch inakzeptable wortmeldungen, sofern sie nicht der feder ihrer majestät entspringen, werden mitsamt verfasser an den pranger gestellt, gevierteilt oder am scheiterhaufen verbrannt. die zensurgewalt von MCH bezieht sich jedoch bedauerlicherweise nur auf ungehörige kommentare innerhalb ihres hoheitsgebietes. und legasthenie ist lediglich ein schönheitsfehler.

korrespondenz

moniquechantalhuber yahoo.de

adel verpflichtet

Online seit 6592 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 24. Jul, 02:02

lookin´ for a prince, horse or castle?

 


development