Freitag, 15. Juni 2007

bildungsbeitrag, frühkindlicher

Im Nachhinein erklärt es womöglich einiges (was hier allerdings nichts zur Sache tut), dass meine Mutter oft zu sagen pflegte: „Warte, warte nur ein Weilchen, dann kommt Haarmann auch zu dir. Mit dem kleinen Hackebeilchen macht er Hackefleisch aus dir.“ In Hannover an der Leine, Rote Gasse Nummer acht, wohnt der Massenmörder Haarmann, der die Leute umgebracht. Aus den Augen macht er Sülze, aus dem Arsch, da macht er Speck, aus dem Darm, da macht er Würste, und den Rest, den schmeißt er weg. Haarmann hat auch ein' Gehilfen, Grans heißt dieser junge Mann. Und der lockte mit Behagen viele junge Männer an. Warte, warte nur ein Weilchen, dann kommt Haarmann auch zu Dir. Mit dem kleinen Hackebeilchen macht er Hackefleisch aus dir.

Mir kam die Textzeile heute völlig überraschend in den Sinn. Dass Mutter ebenso gerne die "Moritat von Mackie Messer" vor sich hin trällerte, fiel mir im selben Augenblicke ein und es ward mir gleichzeitig ein wenig nach Weihnachten zumute.

Ich hatte Spekulatius zum Kaffee und Orange mit Zimt zum mexikanischen Destillat verspeist. (Tequilla ist ein Rührseligkeitskatalysator, der definitiv erst ab Ende der Neunziger eine tragende Rolle in meinem Leben spielte und somit der frühadulten Phase zugerechnet wird, dies sei unbedingt angemerkt, weil ich mir doch vorgenommen habe, wieder mehr erwachsene Texte zu schreiben) Allein daher rührt dies jähe Aufwallen freudiger Aufregung, so dachte ich anfangs und fütterte das wintergeschmackkonditionierte, Pavlowsche innere Kind noch ein wenig.

Doch dann wurde mir bewusst, dass dieses seltsam vorfreudige Gefühl schon seit längerer Zeit, vorgestern cirka, meine ansonsten eher düsteren Gedankenketten hell erleuchtete.

Angefangen hat es, so ergab die mentale Recherche, mit dem Erwerb eines Tonträgers. Dave Brubeck stand da drauf in bunten Lettern. Der Name las sich so vertraut, dass ich ihn sogleich käuflich erwarb und neugierig der vermeintlich unbekannten Melodien harrte.

Und siehe, selbst ein stark hörgeschädigtes Wesen wie ich (explicit lyrics, metallische Klänge, aberhunderte Ermahnungen erziehungsberechtigterseits, wovon man halt so taub wird), mit dem Rhythmusgefühl einer Salatgurke, erkannte zweifelsfrei: „Der "Unsquare Dance“, das ist ja die Titelmelodie von Panoptikum“.

Eben jenes "Panoptikum" war gewiss eine meiner liebsten Fernsehsendungen, wenn nicht sogar die Liebste, noch vor dem „hohen Haus“ (Damals, das sei, wenn auch zu meiner Schande, eingestanden, hätte ich den Haider Jörg gewählt - obwohl politisch engagiertes Kleinkind und links der Mitte sozialisiert, allerdings fand ich ihn ungemein attraktiv, er war stets ordentlich gekleidet und kam dem Humorverständnis einer Fünfjährigen sehr entgegen. Ja, ich fand den Haider toll, einen H.C. Strache hätt ich vermutlich sogar noch komischer gefunden. Mittlerweile lass ich mich von Äußerlichkeiten und Rethoriken nicht mehr so stark blenden und bin auch strikt gegen eine Herabsetzung des Wahlalters.)

Doch halt, wo kam ich her, wo wollt ich hin? Achja, Panoptikum und seine Kennung, ein Stück schöner Erinnerung. Während ich also musikalisch und gedanklich einmal mehr im falschen Jahrhundert verweilte, da fragte doch der Kellnerkollege plötzlich, ohne von meiner inneren Retrospektive zu wissen: „Kennst du den Axel Corti?“.

Nun, wie soll ich es beschreiben... Mein Kinderherz juchzte und frohlockte, ich entsann mich all der Stunden vor dem Radiogerät und war vor Freude halb entrückt (Entrückung ist ja zum Beispiel ein Wort von dem heutzutage viel zu selten Gebrauch gemacht wird). Den „Schalldämpfer Vol.1“ hat er, der wunderbare Kollege und Freund im Geiste, mir heute, wie angekündigt, tatsächlich vorbeigebracht und nun kann ich jederzeit dem beruhigenden Klang der Stimme Cortis lauschen, die zu meiner Kindheit gehört wie Weihnachten und Zimt und Mutters schauerliche Gesänge.
Sollte nun jemand aus der mittlerweile tatsächlich vorhandenen Leserschaft im Besitz der leider vergriffenen Volumes 2 und 3 sein, oder jemanden kennen, der jemanden kennt...

Mittwoch, 13. Juni 2007

the f-word

Ich leide unter dem selben Gendefekt, wie rund 51% der Weltbevölkerung auch. Chromosomenanomalie xx.

Ich lebe glücklicherweise in einer sehr aufgeschlossenen Gesellschaft, wo man es nicht mehr für nötig hält, mich hinter der Burka zu verbergen, im Gegenteil, je freizügiger und tiefdecolletierter ich meine Stigmata zur Schau stelle, desto eher scheint gewährleistet, dass ich eines Tages den Sachwalter fürs Leben finde (Wird auch höchste Zeit, würde meine Großmutter sagen, denn es kann nicht sein, dass ich, den Zenit der gebärfreudigsten Zeit bald überschritten, noch immer unbemannt bin. So versucht sie also, wann immer sie meiner habhaft wird, mich in die Kreise zu bringen, mit denen sie selbst gern verkehrt hätte).

Zum Glück darf mich hierzulande alleine auf offener Straße bewegen, von offizieller Seite aus ist es mir sogar gestattet Hosen zu tragen, intern wird jedoch bemängelt, dass ich der Männerwelt so selten das Vergnügen gönne, mir auf die Beine zu glotzen. Ich darf alleine Geschäfte abwickeln, mit fremden Menschen reden, dabei sogar lachen, ohne sofort als Schande für die Familie zu gelten. Selbst wählen darf ich, zwischen mehreren Übeln.

Nach klassischer Definition gelte ich weder als körperlich noch geistig behindert, was selten jemanden davon abhält, mich dennoch so zu behandeln. Ich bin nämlich, um es politisch korrekt auszudrücken, ein Mensch mit Migränehintergrund. Eine vom schwachen Geschlecht. Frau.

Noch dazu ein besonders tragischer Fall - Eine von denen, die nicht so sein wollen, wie sie sein sollen, obwohl man sie dafür belächelt, wie sie sind.

Im Laufe meines Lebens habe ich mich bisher grob geschätzte 9.030 Mal vollständig eigenständig an- und entkleidet, inklusive Schuhbänder binden. Ich bin so dreist zu behaupten, ich sei mit den Techniken der Körperbedeckung, abgesehen von einigen schauderhaften modischen Fehlgriffen, bestens vertraut, dennoch fühlt sich ständig jemand bemüßigt, mir in den Mantel zu helfen.

Mein geringer Wuchs und der naturgegebene Dackelblick wecken männliche Beschützerinstinkte, man zündet meine Zigaretten an, öffnet mir Türen, bezahlt mein Abendessen, behütet und bewahrt mich vor allem Unbill, um mein empfindsames Gemüt zu schonen. Man findet mich drollig, wie ein dressiertes Äffchen, will mir ständig übers Köpfchen streicheln und wundert sich, wenn ich beiße - Gentlemangehabe ist mir nämlich zuwider.

Natürlich weiß ich um meinen Liebreiz und schätze die mannigfaltigen Versuche meine Gunst zu erlangen. Auch weiß ich, wie unendlich mitleiderregend ich wirke, wenn ich mit der Anmut und Grazie einer Gazelle nach dem dritten Schlaganfall vorm Supermarktregal hochhopse um die letzte Dose Thunfisch zu erhaschen.

Trotzdem lege ich Wert darauf, als Mensch auf selber Augenhöhe betrachtet zu werden, nicht als niedlicher Aufputz, den man am Patschhändchen hinterherschleift und bei jeder Gelegenheit bevatert.

340 Tage im Jahr (Diese Zahl ergibt sich insbesondere daraus, dass bissige, rebellische Weibchen meist so rasch wie nur irgend möglich an der nächsten Raststation Sehnsucht ausgesetzt werden) komme ich nämlich mehr oder weniger wunderbar alleine zurecht.

Nicht nur, dass ich aufrecht gehen kann, auch des Sprechens bin ich mächtig, zuweilen lege ich dabei eine unerwartete Eloquenz an den Tag, die manche Männer ängstigt, selbst Wohungen ausmalen, Waschmaschinen anschließen, Glühbirnen wechseln oder Wochenendeinkäufe in den dritten Stock schleppen kann ich, ohne dass es männlicher Unterstützung bedarf. Schreckstarre Prinzenanwärter bewahre ich vor nähesuchenden Killerhunden, entzückenden Nagetieren und friedliebenden Spinnen. „Du bist der Mann in der Beziehung“ hyperventilieren sie dann und suchen Zuflucht bei einem weiblichen Wesen, das ordentlich schrill kreischen kann, wozu mich mein Stimmorgan leider nicht befähigt.

Ich bin mir allerdings zu schade dafür, mit Mädchentricks und kurzen Röckchen das verletzliche Weibchen zu mimen, um mir Zuneigung zu sichern und nur ja stolze, starke Männeregos nicht zu erschüttern. Um mein Frauenego hat sich auch noch nie jemand gekümmert:

Bahnhof. Lover will anstatt mich gleich den Koffer in Empfang nehmen. „Nein, nein, den trag ich schon selber.“ Jetzt gib halt her, der ist doch schwer!“ „Weiß ich, den hab ja ich so vollgepackt.“ Er will mir das Gepäckstück aus der Hand reissen. „Wie sieht denn das aus?!“ „Du meinst starker Mann lässt arme Frau schleppen?! Als ich ihn allein zum Zug trug, fand das auch keiner unpassend.“ „Gib her!“ „Seltsam, den Koffer willst du mir unbedingt abnehmen, den Müll darf ich aber alleine rausbringen.“

Der Arbeitskollege: „Diese eine Tour, wo wir neunzehn Stunden unterwegs sind, die ist eigentlich nichts für Frauen!“ „Weshalb?“ „Na, das ist doch total anstrengend.“ „Für Männer ist die nicht anstrengend?“ „Doch.“ „Warum sollte es für Frauen anstrengender sein, als für Männer, neunzehn Stunden auf den Beinen zu sein? Ich mach exakt diesselbe Arbeit wie du, hast du den Eindruck ich könnte das nicht?“ „Naja, du schon.“ „Dir ist aber klar, dass ich auch eine Frau bin?“

Der Gast „Dieser Job, das ist doch nichts für eine so zierliche Frau!“ „Wieso, mach ich was falsch? Wirke ich irgendwie überfordert?“ „Äh, nein, ich mein nur...“

Dienstag, 12. Juni 2007

puddingfrau und lumpenkind

Fäden geschmolzenen Käses hängen mir aus dem Mund. „Möchten sie eine Zeitung kaufen?“ fragt mich der blasse, pummelige Junge und hält mir zerfledderte Blätter unter die Nase. Im trüben Licht der Laterne kann ich „Gratisausgabe“ entziffern. „Nein“ schmatze ich „Möchtest du ein Stück Pizza?“ Er nickt und setzt sich neben mich auf die Bank.

„Ziemlich spät“ stelle ich kauend fest und reiche ihm die Hälfte des Teigfladens. Tonno mit extra Ananas. Spezialanfertigung vom Pizzamann meines Vertrauens. Hastig schlingt er die Mahlzeit hinunter, dann steht er auf, wühlt in den Taschen seiner Jean, die ihm um mindestens zwei Nummern zu groß ist, zieht ein zerknülltes Päckchen Zigaretten hervor und steckt sich eine an. „Wie alt bist du?“ frage ich ihn. „Vierzehn“ sagt er trotzig. „Gut gehalten, ich hätte dich auf höchstens elf geschätzt“ entgegne ich.

Wir mustern uns. „Monika“ sag ich und strecke ihm meine fettige, mehlige Hand entgegen, ziehe sie kurz zurück, um mir die Reste von den Fingern zu lecken, mich mit der Serviette abzutrocknen. „Rene“ antwortet er und schüttelt meine nunmehr saubere Hand. Seine Bewegungen sind ungelenk wie die eines Kindes, aber die Art und Weise wie er seine Zigarette hält, ist bereits beeindruckend lässig.

Die letzte Straßenbahn rattert ums Eck. „Gute Nacht Rene!“. Er folgt mir.

Nachts wirken die Straßenbahngarnituren noch verwahrloster als tagsüber. Unser Abteil ist leer, nur ein paar Glasflaschen rollen klirrend am Boden, als sich die Bahn in Bewegung setzt. „Was machst du jetzt?“ fragt er mich und ich höre, was er nicht ausspricht. „Junger Mann, die Frage lautet wohl eher, was du jetzt machst? Um ein Uhr morgens durch die Stadt zu laufen und Leute um Geld anschnorren ist ein ziemlich dämlicher Plan. Hast du denn kein Zuhause?“ Ich bemühe mich oberlehrerhaft zu klingen, dabei stelle mir vor, ich würde Brille tragen und hätte mein Haar streng nach hinten gekämmt. „Vielleicht schlafe ich bei einem Freund.“ sagt der Junge kleinlaut. „Weiß der von seinem Glück?“ frage ich. „Warum fährst du nicht heim?“

Nun wirkt er noch jünger als er vermutlich ist und erzählt wirre Geschichten von seinem Vater und der toten Mutter. Das wenige, das ich glaube, macht mich traurig genug. Ich muss an der nächsten Haltestelle raus. „Na gut“ beantworte ich seine stille Bitte „dieses eine Mal. Nur heute. Das muss dir klar sein! Einmal und nie wieder!“

Er hat etwas hündisches an sich, als er hinter mir hertrottet. Die Wohnanlage ist modern, viel zu nobel, als dass ich es mir wirklich leisten könnte, hier zu leben. Meine Vermieterin kann es sich auch nicht leisten, deshalb teilen wir uns die Wohnung. An den Wochenenden ist sie meist am Land, die Katze nimmt sie mit. Zumindest fließend Wasser und Strom haben wir, alles andere ist Baustelle. Ich weiß nicht ob sie es jemals schaffen wird, sich wirklich häuslich einzurichten, meine Tage hier sind gezählt, ich werde fortgehen, nur gesagt hab ich ihr das noch nicht. Ich zeige Rene mein Zimmer. Ich erzähle ihm von der Katze, die nur auf das Wort „Fisch“ hört.

„Ich geb dir ein paar frische Sachen zum Anziehen, aber vorher solltest du baden gehen“ schlage ich ihm vor. „Du stinkst.“ Ich lasse ihm ein Schaumbad ein, lege ihm saubere Kleidung und ein Handtuch hin, dann lass ich ihn allein. Ich würde gerne Musik hören, aber Grete hat nur Kassetten mit klassischer Musik. Davon werde ich nervös. Ich höre Rene plantschen. Seine ausgetreten, alten Schuhe kann ich bis in die Küche rieche, also besprühe ich sie mit Deo. Größe 42, die können nicht ihm gehören, genausowenig wie die überlange Hose und der Pullover in dem er fast verloren geht.

„Kann ich kurz ins Bad, deine Sachen holen, die müssen dringend gewaschen werden“ ruf ich ihm zu, er öffnet mir die Tür, trägt bereits mein T-Shirt und die Boxershort. Wir haben keine eigene Waschmaschine, aber es gibt einen Waschsalon im Hof, dort kann ich auch nachts meine Wäsche waschen. Er möchte mitgehen. Ich leihe ihm meinen Mantel und eine Haube, wegen der nassen Haare, mir nehm ich ein Bier mit.

Während seine dreckigen Socken, die Jean und der ausgeleierte Pullover ihre Runden drehen, hocken wir auf den beiden übrigen Maschinen. „Was machst du sonst so, wenn du nicht grad von daheim abhaust?“ frage ich ihn und öffne mein Getränk. „Wie sieht`s aus mit Schule?“. „Ich gehe nicht mehr zur Schule“ „Natürlich, mit elf ist man ja schon praktisch erwachsen und braucht dort nicht mehr hinzugehen.“ erwidere ich spöttisch. Er wird zornig:“Ich bin vierzehn, hab ich doch gesagt.“ „Und ich bin hundert“ Ich grinse.

Eine zeitlang sitzen wir schweigend da, lassen die Beine baumeln, ich trinke Bier. „Hast du einen Freund?“ fragt er mich unvermittelt. „Nein“, sage ich der Einfachheit halber, mir ist nicht danach Definitionen zu suchen, komplexe Sachverhalte zu erklären. „Und du, hast du eine Freundin?“. Natürlich lügt er mich an. Sex hätte er auch schon gehabt, erzählt er. „Echt? Sex hatte ich noch nie.“ Diesmal bin ich es, die lügt. Sein erstaunter Blick belustigt mich. „Aber“ stammelt er „du bist doch schon alt.“ „Naja, hundert bin ich in Wirklichkeit nicht, erst zwanzig, zwanzig ist noch nicht alt.“ Aus Kinderaugen starrt er mich an. „Weißt du, ich hab doch noch nie Sex gehabt“ murmelt er. „Es gibt wichtigeres im Leben“ Die altkluge Rolle fängt an mir zu gefallen. „Zum Beispiel, ob du noch Hunger hast?“ Rene nickt zaghaft. Er wirkt müde.

Ich packe die feuchte Wäsche in einen Sack und wir gehen wieder nach oben. Nachdem ich die Sachen zum Trocknen aufgehängt habe, inspiziere ich den Kühlschrank. „Brot oder Pudding? Mehr hab ich leider nicht hier.“ „Pudding“ murmelt Rene, der nun am Balkon sitzt. Also rühre ich Puddingpulver mir etwas Zucker und kalter Milch an, erhitze die restliche Milch, die sonst nur die Katze trinkt, im Topf. Wenige Minuten später steht dampfende Vanillecreme am Tisch. „Magst du etwas Himbeersirup dazu?“ Rene nickt wieder und schaufelt Pudding in sich hinein.

In der Zwischenzeit durchstöbere ich oberflächlich Gretes Zimmer, irgendwo muss sie eine Menge Kinderbücher lagern, falls ihre Patenkinder zu Besuch kommen. Ich finde nur „Wo geht’s hier nach Panama“ von Janosch. Das mochte ich früher selber gerne.

Rene wankt vor Müdigkeit als ich ihm die Gästematratze vorbereite. Er kuschelt sich an das geblümte Kissen und lauscht mit kindlicher Hingabe der Geschichte, die ich ihm vorlese. Bereits nach drei Seiten ist er eingeschlafen.

Er träumt unruhig, dreht und wendet sich, schlägt um sich, einmal ruft er „Mama“. Ich finde noch lange keinen Schlaf.

Am späten Vormittag muss ich zur Arbeit, Rene nehme ich bis zur letzten Haltestelle mit. Dort wo wir uns gestern getroffen haben. „Nochmal kannst du nicht bei mir bleiben, aber wenn du mal in Schwierigkeiten steckst, ruf mich an.“ Zumindest das kann ich ihm anbieten. Er schenkt mir zum Abschied ein Feuerzeug, das aussieht wie eine Pistole.

Ich erzähle meiner Arbeitskollegin von der vergangenen Nacht. Sie schreit mich an. Ob ich komplett den Verstand verloren hätte. „Die können dich wegen Verführung Minderjähriger drankriegen“ brüllt sie. „Dass du dich überhaupt mit solchem Gesindel abgibst. Aus dem wird doch nie was.“
„Natürlich nicht. Weil solchen Kindern keiner eine Chance gibt. Aber vielleicht hat er nun wenigstens eine schöne Erinnerung.“ Die Kollegin zetert und schimpft und ist den Rest der Woche nicht gut auf mich zu sprechen. Es ist ohnehin meine letzte Woche hier.

Ich erzähle niemandem mehr von dem Jungen oder davon, dass ich glaube, seinen Vater gesehen zu haben, einen alten, dicken, schäbigen Mann, mit unzähligen geplatzten Äderchen auf der Nase, wie es bei Säufern oft vorkommt, der das Lokal betrat und mich beobachtete. Er trug den selben Pullover wie Rene.

Die Kollegin erzählt mir später, als ich bereits die Stadt verlassen habe, Rene sei immer wieder an die Bar gekommen und habe nach mir gefragt, anfangs hätte er jedesmal eine Rose dabeigehabt. Irgenwann reisse ich die Brücken hinter mir vollends ab, zuviele Erinnerungen die ich nicht haben möchte.

Es dauert fünf Jahre bis ich zurückkehre, beruflich, kurz nur. Ich spaziere abends am Fluss entlang, als mich ein junger Bursche anspricht. Das Übliche. Ob ich Drogen kaufen möchte. Ich erstarre. „Rene“ sage ich mit einer Bestimmtheit, die mich überrascht, ich hatte nicht gewusst, dass ich nach all den Jahren seinen Namen noch kenne. „Du bist die Puddingfrau!“ antwortet er verwundert, doch ohne Zögern. Nun ist er ehrliche sechzehn.

Ich gehe weiter, betrete das erstbeste Lokal und betrinke mich.

privataudienz

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der pöbel unter sich

Ich finde die beamtenhaft...
Ich finde die beamtenhaft anmutende Pause in diesem...
bob (Gast) - 23. Dez, 10:14
Das ist doch unglaublich....
Das ist doch unglaublich. Glaub ich.
textorama (Gast) - 22. Sep, 17:11
Wohl eher ein naturhysterisches...
Wohl eher ein naturhysterisches Diorama. Die beiden...
textorama (Gast) - 22. Sep, 17:10
gemüsehunger, immer zur...
gemüsehunger, immer zur unzeit... längst licht aus...
p. (Gast) - 9. Aug, 04:03
gemüsefach hatte an dem...
gemüsefach hatte an dem tag bereits geschlossen.
MoniqueChantalHuber - 6. Aug, 07:58
auf n sprung ins gemüse?
auf n sprung ins gemüse?
p. (Gast) - 6. Aug, 03:56
klammern halten die großen...
klammern halten die großen scheine einfach besser zusammen.
MoniqueChantalHuber - 3. Aug, 16:08
Klammern anstatt Rettungsschirm,...
Klammern anstatt Rettungsschirm, sehr clever.
mq (Gast) - 2. Aug, 09:08
eine fabelnhafte idee.
eine fabelnhafte idee.
MoniqueChantalHuber - 1. Aug, 22:30
Ich überlege gerade,
ob es nett wäre, wenn sich könig egon ladislaus froschojewsky...
schreiben wie atmen - 1. Aug, 22:18

kundmachung

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Zuletzt aktualisiert: 24. Jul, 02:02

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