vom leben und sterben auf dem lande - III
Die ländliche Idylle, weidende Kühe und tobende Kälber, die gab es nicht. Nur der Josef und die Delphine, „Fini“ gerufen, zwei Sonderlinge die ihre Wiesen und Äcker noch immer traditionell bewirtschafteten, hielten ihr Vieh an Sommertagen draußen. Man belächelte sie dafür.
Zumindest kam niemand auf die Idee, die beiden wegen Tierquälerei anzuzeigen. Einem der Aussteiger aus dem Freundeskreis meiner Eltern, war genau das passiert. Mangalizaschweine und Waldviertler Blondvieh, bedrohte Nutztierrassen, züchtete der und lies die wolligen Säue und semmelfarbenen Rinder das ganze Jahr über auf der Weide. Selbst der Stier, der seinen Kuhharem bespringen durfte, wann immer ihm der Sinn danach stand oder besser gesagt, wenn den Kühen nach Begattung war, durfte ins Freie. Ein Skandal!
Der herkömmliche Fleckviehstier dagegen fristete ein vergnügungsfreies Dasein, sein Lebenszweck bestand einzig darin, Unmengen zu fressen um ordentlich Fleisch anzusetzen, an seine Stallnachbarinnen durfte nur der Tierarzt heran. Mit Gummihandschuhen bewehrt, die bis zur Schulter reichten, injizierte der den brünstigen Kühen Hochleistungssperma, das zugekauft wurde, auch den Säuen in Hitze, sofern am Hof gezüchtet, nicht nur schlachtreif aufgezogen wurde, erging es ähnlich.
Unweit unserer Ortschaft gab es einen F1-Hybridsauenvermehrungsbetrieb. In dem fensterlosen Betonkasten, vor dem man Sonntags einen Bauernmarkt abhielt, lagen riesige, fette Mutterschweine in Metallgestellen eingekeilt, damit sie ihre neugeborenen Ferkel nicht erdrückten oder auffraßen. Frustrationskanibalismus war die häufigste psychische Störung bei diesen Tieren.
Das Rind in Anbindehaltung entwickelte stattdessen die Tendenz, bei chronischer Langeweile den unmittelbaren Standnachbarn wundzulecken oder an der v-förmigen Aussparung, durch die es Hals und Kopf in den Futtertrog, der sich über die gesamte Länge des Stalles hinzog, stecken konnte, zu nuckeln. Meistens aber war es damit beschäftigt zu fressen, im Frühjahr und Sommer, wenn die Mahd noch unbekömmlich war, landete Schnittgras, Silage und Kraftfutter aus dem Lagerhaus, woher man auch sämtliches Saatgut bezog, im Trog.
Große Gehöfte hatten oft einen oder zwei Silotürme neben dem Misthaufen stehen. Darin vollzog sich die Milchsäuregärung, die bewirkte, dass das Rauhfutter säuerlich roch, süß schmeckte und auch im Winter noch mehr Vitamine enthielt als Heu. Jedes Jahr hörte man davon, dass wieder ein unvorsichtiger Bauer beim Beschicken oder ein Kind beim Versteckspiel ums Leben gekommen war, drinnen in den Türmen, wo sich Gärgase sammelten.
Nach der Hofübergabe an die nächste Generation wurden der grüne Steyrer -Traktor, das rostige Balkenmähwerk, der schartige Pflug durch vollautomatische Erntemaschinen ersetzt und die Silotürme blieben vielerorts leer. Frischgemähtes Gras in Folie zu verpacken war der ungefährlichere Weg der Bevorratung. Die Rundballen waren stapelbar, verblieben meist direkt auf der Wiese und lieferten jeweils ein Tages- oder Wochenration Grünfutter.
Neuneinhalb Monate nach der künstlichen Besamung war im Kuhstall Kälberziehen angesagt. Manchmal kam es zwar vor, dass eine trächtige Kuh ihren Nachwuchs ganz unerwartet und selbstständig zur Welt brachte, doch man versuchte stets der Geburt beizuwohnen, zum einen, weil ein Tier dessen lebenslanger Bewegungsradius zwei Schritte vorwärts, rückwärts, seitwärts betrug, zu Steißgeburten und anderen Komplikationen neigte, zum anderen wollte man eine Bindung zwischen Mutter und Kind erst gar nicht stattfinden lassen.
Kaum war das Kalb an Stricken, die um die Fesseln geschlungen wurden, sobald die noch weichen Klauen aus dem Mutterleib ragten, aus der Kuh gezerrt worden, bei schweren Geburten hing oftmals die gesamte Bauersfamilie in den Riemen, wurde es mit Stroh trockengerieben und in sicherer Entfernung zur Mutterkuh in eine Schweinebucht gesperrt oder an die Wand gekettet.
Erstgebärende, Färsen genannt, schien der Verlust des Kalbes sehr zu schmerzen, die erfahrene Milchkuh dagegen war diesen Vorgang wohl gewohnt.
Wann immer eine Geburt anstand, war ich nicht mehr aus der Nachbarn Stallungen wegzubekommen. Stunden- und tagelang starrte ich auf Kuhhinterteile und brannte darauf das Neugeborene zu begrüßen und zu füttern. Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob Biestmilch, die antikörperreiche Milch, die nur in den ersten Stunden nach der Entbindung gebildet wird, abgemolken wurde oder gleich zu Beginn Kälberstarter, ein Milchersatz zum Anrühren, verfüttert wurde. Jedenfalls durfte ich den Eimer, an dem ein fingerdicker Gummisauger montiert war, halten, wenn die Kälber ihre ersten Schlucke taten.
Anfangs dachten sie ich sei ihre Mutter, weil ich ihr lockiges, feuchtes, klebriges Fell abtrocknete. Einmal hab ich auch in der Box übernachtet, an einen Babystier gekuschelt, der mir nicht mehr von der Seite wich.
Eine Kuh musste Milch für den menschlichen Bedarf produzieren und einmal pro Jahr kalben. Je nach geschäftlicher Ausrichtung des bäuerlichen Betriebs dauerte ein Kuhleben fünf bis acht Jahre, danach kam das Rind in die Suppe. Stieren war eine weitaus kürzere Lebensspanne beschert, wie wurden entweder bereits als Kalb geschlachtet oder übers Jahr hinweg gemästet.
Bevor es EU-Richtlinien gab, schlachtete man direkt am Hof. Kleinvieh tötete man eigenhändig, ansonsten wurde ein Fleischhauer hinzubestellt. Der Fröschl Hans war so einer. Tagsüber arbeitete er in einem großen Fleischereibetrieb und abends bewirtschaftete er die Felder. Hehberger war der Hofname, doch der Hans hatte eingeheiratet. Bei ihm und Cäcilie, seiner Frau, die man „Zilli“ rief, saß ich die meiste Zeit im Stall herum, betrachtete Geburt und Tod mit einem unstillbaren Forschungsdrang. Kinder hatte man eigentlich nicht gern dabei im Moment, in dem der Bolzenschuß fiel oder ein scharfes Beil einen Kopf abtrennte, mich ließ man bleiben, weil ich Tierärztin werden wollte.
Hühner und Truthähne wurden in ein trichterförmiges Holzgestell gesteckt, so dass unten nur ihr Kopf herausragte, der mit einem gezielten Hieb oder Schnitt durchtrennt wurde. Schauergeschichten von kopflosen Hennen, die man nicht kräftig genug festgehalten hatte und die noch bis über die Scheune flatterten, bevor sie tot vom Himmel fielen, erzählte man sich.
Zwar hieß es Sauabstechen, doch dem schweinischen Todeskandidaten, den man in einen Nebenraum oder auf den Hof hinaus trieb, wurde der Bolzenschussapparat an den Schädel gesetzt. Nicht immer trat der Tod sofort ein. Die angeschossene Sau schrie und zappelte oft noch minutenlang, dabei geriet der ganze Stall in helle Aufregung, weil die gellenden Schreie des schwer verwundeten Tieres über den gesamten Hof hallten. Manchmal war es erst der Kehlenschnitt, der das arme Schwein zum Verstummen brachte.
Hernach kam der Kadaver in einen Bottich voll heißem Wasser. Mit Ketten wurde das Tier hin und her gewuchtet und dabei die Borsten von der Schwarte, die ich ihm zu Lebzeiten so gern gekrault hatte, geschrubbt. Schließlich hängte man das Tier an den freigelegten Sehnen der Hinterläufe aufs Heustadltor und fing an, es zu zerlegen. Erst ab diesem Zeitpunkt wich mein Entsetzen. Die leblosen Schweinehälften hatten nichts mehr gemein mit der Sau, die ich so mochte.
Kühe wurden nicht vor den Augen von Kindern getötet, auch für mich gab es keine Ausnahme. Meine Erfahrungen mit Schweinen lassen mich ansatzweise vermuten weshalb.
Die Schafe, die meine Eltern hielten, sollte niemals ein ähnliches Schicksal ereilen, zumindest war es so angedacht. Doch vermehrten sie sich prächtig und irgendwann, als sich die Überpopulation nicht mehr lebend veräußern lies, kam der Fröschl Hans auch zu uns.
Mein Vater, ansich kein Mann großer Gefühle, war selbst den Tränen nahe, als er einen jungen Bock auswählte, ihn mit einer handvoll Gerste anlockte, zum letzten Mal streichelte und dann an den Läufen packte, um das Tier einmal um die eigene Achse zu drehen. Diese Bewegung setzt nämlich den Gleichgewichtssin eines fast jeden Säugetieres außer Gefecht. Nach einer solchen Rotation lassen sich Schafe mühelos, mit verwirrtem Blick und ohne Gegenwehr im Kofferraum des Familienautos transportieren oder eben zur Schlachtbank tragen.
In diesem Falle war es der Apfelbaum, an den der junge Bock gebunden wurde. Ein rascher Schnitt, die Hauptschlagader durchttrennend und es war vorbei. Unser erstes Kamerunschaf verblutete friedlich im Garten (In dem Zusammenhang fällt mir wieder ein, man mag den Vergleich geschmacklos finden, wie ein guter Freund, der sich in einer depressiven Phase die Pulsadern geöffnet hatte und knapp überlebte, hinterher erzählte, er sei mit jedem Herzschlag, der Blut aus seinen Arterien pumpte, ruhiger und ruhiger geworden.). Ich hatte gedacht, ich müsste weinen, aber die Szenerie war frei von Brutalität und Hast, war mehr eine feierliche Zeremonie. Bald wich alles Leben aus den goldfarbenen Augen des Schafbockes. Danach war er er nur mehr ein Stück Fleisch.
Mittlerweile haben viele unserer Tiere auf diese Art den Tod gefunden, erst waren es Türken, die unsere Lämmer kauften und noch vor Ort schächteten, schließlich wich auch unsere Scheu die eigenen Tiere aufzuessen.
Entgegen anderslautender Meinungen, bin ich der Ansicht, eine korrekt durchgeführte Schächtung ist der angenehmste Tod, der einem Schlachttier widerfahren kann.
wird wahrscheinlich fortgesetzt
erster Teil
zweiter Teil
Zumindest kam niemand auf die Idee, die beiden wegen Tierquälerei anzuzeigen. Einem der Aussteiger aus dem Freundeskreis meiner Eltern, war genau das passiert. Mangalizaschweine und Waldviertler Blondvieh, bedrohte Nutztierrassen, züchtete der und lies die wolligen Säue und semmelfarbenen Rinder das ganze Jahr über auf der Weide. Selbst der Stier, der seinen Kuhharem bespringen durfte, wann immer ihm der Sinn danach stand oder besser gesagt, wenn den Kühen nach Begattung war, durfte ins Freie. Ein Skandal!
Der herkömmliche Fleckviehstier dagegen fristete ein vergnügungsfreies Dasein, sein Lebenszweck bestand einzig darin, Unmengen zu fressen um ordentlich Fleisch anzusetzen, an seine Stallnachbarinnen durfte nur der Tierarzt heran. Mit Gummihandschuhen bewehrt, die bis zur Schulter reichten, injizierte der den brünstigen Kühen Hochleistungssperma, das zugekauft wurde, auch den Säuen in Hitze, sofern am Hof gezüchtet, nicht nur schlachtreif aufgezogen wurde, erging es ähnlich.
Unweit unserer Ortschaft gab es einen F1-Hybridsauenvermehrungsbetrieb. In dem fensterlosen Betonkasten, vor dem man Sonntags einen Bauernmarkt abhielt, lagen riesige, fette Mutterschweine in Metallgestellen eingekeilt, damit sie ihre neugeborenen Ferkel nicht erdrückten oder auffraßen. Frustrationskanibalismus war die häufigste psychische Störung bei diesen Tieren.
Das Rind in Anbindehaltung entwickelte stattdessen die Tendenz, bei chronischer Langeweile den unmittelbaren Standnachbarn wundzulecken oder an der v-förmigen Aussparung, durch die es Hals und Kopf in den Futtertrog, der sich über die gesamte Länge des Stalles hinzog, stecken konnte, zu nuckeln. Meistens aber war es damit beschäftigt zu fressen, im Frühjahr und Sommer, wenn die Mahd noch unbekömmlich war, landete Schnittgras, Silage und Kraftfutter aus dem Lagerhaus, woher man auch sämtliches Saatgut bezog, im Trog.
Große Gehöfte hatten oft einen oder zwei Silotürme neben dem Misthaufen stehen. Darin vollzog sich die Milchsäuregärung, die bewirkte, dass das Rauhfutter säuerlich roch, süß schmeckte und auch im Winter noch mehr Vitamine enthielt als Heu. Jedes Jahr hörte man davon, dass wieder ein unvorsichtiger Bauer beim Beschicken oder ein Kind beim Versteckspiel ums Leben gekommen war, drinnen in den Türmen, wo sich Gärgase sammelten.
Nach der Hofübergabe an die nächste Generation wurden der grüne Steyrer -Traktor, das rostige Balkenmähwerk, der schartige Pflug durch vollautomatische Erntemaschinen ersetzt und die Silotürme blieben vielerorts leer. Frischgemähtes Gras in Folie zu verpacken war der ungefährlichere Weg der Bevorratung. Die Rundballen waren stapelbar, verblieben meist direkt auf der Wiese und lieferten jeweils ein Tages- oder Wochenration Grünfutter.
Neuneinhalb Monate nach der künstlichen Besamung war im Kuhstall Kälberziehen angesagt. Manchmal kam es zwar vor, dass eine trächtige Kuh ihren Nachwuchs ganz unerwartet und selbstständig zur Welt brachte, doch man versuchte stets der Geburt beizuwohnen, zum einen, weil ein Tier dessen lebenslanger Bewegungsradius zwei Schritte vorwärts, rückwärts, seitwärts betrug, zu Steißgeburten und anderen Komplikationen neigte, zum anderen wollte man eine Bindung zwischen Mutter und Kind erst gar nicht stattfinden lassen.
Kaum war das Kalb an Stricken, die um die Fesseln geschlungen wurden, sobald die noch weichen Klauen aus dem Mutterleib ragten, aus der Kuh gezerrt worden, bei schweren Geburten hing oftmals die gesamte Bauersfamilie in den Riemen, wurde es mit Stroh trockengerieben und in sicherer Entfernung zur Mutterkuh in eine Schweinebucht gesperrt oder an die Wand gekettet.
Erstgebärende, Färsen genannt, schien der Verlust des Kalbes sehr zu schmerzen, die erfahrene Milchkuh dagegen war diesen Vorgang wohl gewohnt.
Wann immer eine Geburt anstand, war ich nicht mehr aus der Nachbarn Stallungen wegzubekommen. Stunden- und tagelang starrte ich auf Kuhhinterteile und brannte darauf das Neugeborene zu begrüßen und zu füttern. Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob Biestmilch, die antikörperreiche Milch, die nur in den ersten Stunden nach der Entbindung gebildet wird, abgemolken wurde oder gleich zu Beginn Kälberstarter, ein Milchersatz zum Anrühren, verfüttert wurde. Jedenfalls durfte ich den Eimer, an dem ein fingerdicker Gummisauger montiert war, halten, wenn die Kälber ihre ersten Schlucke taten.
Anfangs dachten sie ich sei ihre Mutter, weil ich ihr lockiges, feuchtes, klebriges Fell abtrocknete. Einmal hab ich auch in der Box übernachtet, an einen Babystier gekuschelt, der mir nicht mehr von der Seite wich.
Eine Kuh musste Milch für den menschlichen Bedarf produzieren und einmal pro Jahr kalben. Je nach geschäftlicher Ausrichtung des bäuerlichen Betriebs dauerte ein Kuhleben fünf bis acht Jahre, danach kam das Rind in die Suppe. Stieren war eine weitaus kürzere Lebensspanne beschert, wie wurden entweder bereits als Kalb geschlachtet oder übers Jahr hinweg gemästet.
Bevor es EU-Richtlinien gab, schlachtete man direkt am Hof. Kleinvieh tötete man eigenhändig, ansonsten wurde ein Fleischhauer hinzubestellt. Der Fröschl Hans war so einer. Tagsüber arbeitete er in einem großen Fleischereibetrieb und abends bewirtschaftete er die Felder. Hehberger war der Hofname, doch der Hans hatte eingeheiratet. Bei ihm und Cäcilie, seiner Frau, die man „Zilli“ rief, saß ich die meiste Zeit im Stall herum, betrachtete Geburt und Tod mit einem unstillbaren Forschungsdrang. Kinder hatte man eigentlich nicht gern dabei im Moment, in dem der Bolzenschuß fiel oder ein scharfes Beil einen Kopf abtrennte, mich ließ man bleiben, weil ich Tierärztin werden wollte.
Hühner und Truthähne wurden in ein trichterförmiges Holzgestell gesteckt, so dass unten nur ihr Kopf herausragte, der mit einem gezielten Hieb oder Schnitt durchtrennt wurde. Schauergeschichten von kopflosen Hennen, die man nicht kräftig genug festgehalten hatte und die noch bis über die Scheune flatterten, bevor sie tot vom Himmel fielen, erzählte man sich.
Zwar hieß es Sauabstechen, doch dem schweinischen Todeskandidaten, den man in einen Nebenraum oder auf den Hof hinaus trieb, wurde der Bolzenschussapparat an den Schädel gesetzt. Nicht immer trat der Tod sofort ein. Die angeschossene Sau schrie und zappelte oft noch minutenlang, dabei geriet der ganze Stall in helle Aufregung, weil die gellenden Schreie des schwer verwundeten Tieres über den gesamten Hof hallten. Manchmal war es erst der Kehlenschnitt, der das arme Schwein zum Verstummen brachte.
Hernach kam der Kadaver in einen Bottich voll heißem Wasser. Mit Ketten wurde das Tier hin und her gewuchtet und dabei die Borsten von der Schwarte, die ich ihm zu Lebzeiten so gern gekrault hatte, geschrubbt. Schließlich hängte man das Tier an den freigelegten Sehnen der Hinterläufe aufs Heustadltor und fing an, es zu zerlegen. Erst ab diesem Zeitpunkt wich mein Entsetzen. Die leblosen Schweinehälften hatten nichts mehr gemein mit der Sau, die ich so mochte.
Kühe wurden nicht vor den Augen von Kindern getötet, auch für mich gab es keine Ausnahme. Meine Erfahrungen mit Schweinen lassen mich ansatzweise vermuten weshalb.
Die Schafe, die meine Eltern hielten, sollte niemals ein ähnliches Schicksal ereilen, zumindest war es so angedacht. Doch vermehrten sie sich prächtig und irgendwann, als sich die Überpopulation nicht mehr lebend veräußern lies, kam der Fröschl Hans auch zu uns.
Mein Vater, ansich kein Mann großer Gefühle, war selbst den Tränen nahe, als er einen jungen Bock auswählte, ihn mit einer handvoll Gerste anlockte, zum letzten Mal streichelte und dann an den Läufen packte, um das Tier einmal um die eigene Achse zu drehen. Diese Bewegung setzt nämlich den Gleichgewichtssin eines fast jeden Säugetieres außer Gefecht. Nach einer solchen Rotation lassen sich Schafe mühelos, mit verwirrtem Blick und ohne Gegenwehr im Kofferraum des Familienautos transportieren oder eben zur Schlachtbank tragen.
In diesem Falle war es der Apfelbaum, an den der junge Bock gebunden wurde. Ein rascher Schnitt, die Hauptschlagader durchttrennend und es war vorbei. Unser erstes Kamerunschaf verblutete friedlich im Garten (In dem Zusammenhang fällt mir wieder ein, man mag den Vergleich geschmacklos finden, wie ein guter Freund, der sich in einer depressiven Phase die Pulsadern geöffnet hatte und knapp überlebte, hinterher erzählte, er sei mit jedem Herzschlag, der Blut aus seinen Arterien pumpte, ruhiger und ruhiger geworden.). Ich hatte gedacht, ich müsste weinen, aber die Szenerie war frei von Brutalität und Hast, war mehr eine feierliche Zeremonie. Bald wich alles Leben aus den goldfarbenen Augen des Schafbockes. Danach war er er nur mehr ein Stück Fleisch.
Mittlerweile haben viele unserer Tiere auf diese Art den Tod gefunden, erst waren es Türken, die unsere Lämmer kauften und noch vor Ort schächteten, schließlich wich auch unsere Scheu die eigenen Tiere aufzuessen.
Entgegen anderslautender Meinungen, bin ich der Ansicht, eine korrekt durchgeführte Schächtung ist der angenehmste Tod, der einem Schlachttier widerfahren kann.
wird wahrscheinlich fortgesetzt
erster Teil
zweiter Teil
MoniqueChantalHuber - 10. Aug, 01:37
neo-bazi - 10. Aug, 17:32
Ich würde mich sehr über eine Fortsetzung freuen. Es gibt wenig von vergleichbarer Authentizität.
MoniqueChantalHuber - 11. Aug, 07:44
schön wenn man mal publikum hat, das die landjugenderzählungen nicht langweilen.
seltsam welche bruchstücke aus den erinnerungen einer fünf- bis fünfzehnjährigen plötzlich wieder auftauchen und in der rückschau zu einem zusammenhängenden ganzen werden, geschichten gäbe es noch genug.
seltsam welche bruchstücke aus den erinnerungen einer fünf- bis fünfzehnjährigen plötzlich wieder auftauchen und in der rückschau zu einem zusammenhängenden ganzen werden, geschichten gäbe es noch genug.
testsiegerin - 10. Aug, 17:40
danke für diesen einblick.
kennst du den film "emmas glück"? da erzählt die bäuerin den schweinen geschichten, während sie ihnen mit einem scharfen messer die kehle durchschneidet.
kennst du den film "emmas glück"? da erzählt die bäuerin den schweinen geschichten, während sie ihnen mit einem scharfen messer die kehle durchschneidet.
MoniqueChantalHuber - 11. Aug, 07:46
den hab ich nie gesehen. aber meine mutter hat mir ganz aufgelöst am telefon davon berichtet und dass sogar mein vater bei dieser szene im kino geheult hätte, heimlich versteht sich.
MoniqueChantalHuber - 14. Aug, 03:54
"unterwegs nach heimat"
von barbara gräfter ist übrigens ein bedrückend bezaubernder dokumentarfilm übers bergbauernleben, den ich kürzlich zufällig aus der librowühlkiste fischte.
Etosha - 10. Aug, 19:28
Authentisch, ja. Und sehr unverblümt. Erinnert mich sehr unangenehm an das Sau'abstechen', dem ich als Kind beigewohnt habe. Allerdings nur einmalig, das reichte für Jahre.
Delphine ist allerdings kreativ. Die Finis, die ich kenne, heißen alle Josephine.
Delphine ist allerdings kreativ. Die Finis, die ich kenne, heißen alle Josephine.
MoniqueChantalHuber - 11. Aug, 08:20
fini oder pepi.
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