sweet child o' mine
Schon am Tag meiner Geburt wurde ich erwachsen. „Wie froh war ich, als ich dich hatte, für dich konnte ich endlich deinen Vater verlassen“ sagte unsere Mutter später. Meine Schultern wurden breit von der Verantwortung, die auf ihnen lastete. Andere hatten ihre ersten Haltungsschäden von der schweren Schultasche und ich von fremder Hoffnung und Angst, eine irreparable Druckstelle, eine Delle im Selbst. Keine der Erwartungen habe ich je erfüllt.
„Du hast eine Bringschuld“ sagte unser Vater später, wenn er denn mit mir sprach. „Ich investiere nicht in ein aussichtsloses Unternehmen“ sagte er auch, oder: „Leute wie du sind nicht lebensfähig.“ Und ich setzte alles daran, zumindest diese Prophezeiung wahr werden zu lassen.
Sie mag keine Geschichten die schlecht ausgehen. Nein, nein, nein! Wenn mich eine schlammige Flut trauriger Erinnerungen überrollt, eine Welle von Ängsten meine Zukunft ertränkt, den Mut zum Aufstehen, die Lebensenergie fortspült, dann stampft sie trotzig auf: „Pah, blöde Depressionen.“ Mit verbissenem Eifer versucht sie mich abzulenken, mich mit Albernheiten zum Lachen zu bringen.
„Sich zuhause verkriechen ist total doof und immer traurig sein auch, ich will was unternehmen“ quengelt sie und bettelt solange, bis ich nachgebe. Oft genug gelingt es ihr jedoch nicht, dabei ist sie so mitreißend unbekümmert.
Im Gegensatz zu mir hat sie überhaupt nichts ernsthaftes an sich. Ich bin der melancholische Sauertopf, sie die quirlige Frohnatur. Wenn ich still sitzen und grübeln würde, springt sie herum, summt fröhliche Lieder, treibt allerhand Unfug.
Ich bin die Zurückhaltende, die Herbe, die Kühle, sie dagegen ist ein kleines Showtalent und liebt Publikum.
„Ich weiß eigentlich gar nicht wie lang meine Zunge ist“ sagt sie und steckt sich einen Rollmeter in den Mund. „Weiter als elf Zentimeter komm ich nicht, ohne zu würgen.“ stellt sie fest und lacht.
Oder sie fragt: „Darf ich mal?“ und leckt über seine Hand „Wegen der Elektrolyte.“ sagt sie und grinst schelmisch.
Manchmal geht mir ihr kindlicher Übermut auf die Nerven. Besonders wenn er dabei ist. „Reiß dich mal zusammen!“ schimpf ich sie dann. „Was sollen denn die Leute denken?“ Das ist ihr völlig egal.
Im Kaffehaus schnappt sie sich ein Päckchen Zitronensaft, schneidet Grimassen und kichert: „Schau, wie komisch man das Gesicht verzieht, wenn etwas so sauer schmeckt. Willst du auch probieren?“ Mir ist das peinlich und er wirft mir genervte Blicke zu. In solchen Momenten würd ich sie am liebsten zuhause einsperren.
„Kannst du nicht ein bisschen erwachsener sein?“ bittet er sie und ich weiß, wie wichtig ihm das ist. Unsere Symbiose irritiert ihn, wir passen nicht in sein fertiges Leben.
„Wir kommen auch alleine klar“ beruhige ich sie „das haben wir immer geschafft“. Ihn kann ich gehen lassen, weil sie alle gehen werden, unser Vater war der erste. Doch ohne sie kann ich noch nicht sein.
„Du bist die nette, blonde Prinzessin aus dem Märchen, die ich eigentlich immer war und ich bin die dunkle Königin geworden, die unser Vater haben wollte, weil die Bösen die Cooleren sind. Wenn du nicht hier wärst, würde ich fallen und zerbrechen, so kalt und starr wie ich nun bin.“ erkläre ich ihr.
„Apropos“, sagt sie “ ich möchte ein Eis“. Das hat sie sich redlich verdient – denn andere bewahren sich ihr inneres Kind, mich hat mein inneres Kind bewahrt.
„Du hast eine Bringschuld“ sagte unser Vater später, wenn er denn mit mir sprach. „Ich investiere nicht in ein aussichtsloses Unternehmen“ sagte er auch, oder: „Leute wie du sind nicht lebensfähig.“ Und ich setzte alles daran, zumindest diese Prophezeiung wahr werden zu lassen.
Sie mag keine Geschichten die schlecht ausgehen. Nein, nein, nein! Wenn mich eine schlammige Flut trauriger Erinnerungen überrollt, eine Welle von Ängsten meine Zukunft ertränkt, den Mut zum Aufstehen, die Lebensenergie fortspült, dann stampft sie trotzig auf: „Pah, blöde Depressionen.“ Mit verbissenem Eifer versucht sie mich abzulenken, mich mit Albernheiten zum Lachen zu bringen.
„Sich zuhause verkriechen ist total doof und immer traurig sein auch, ich will was unternehmen“ quengelt sie und bettelt solange, bis ich nachgebe. Oft genug gelingt es ihr jedoch nicht, dabei ist sie so mitreißend unbekümmert.
Im Gegensatz zu mir hat sie überhaupt nichts ernsthaftes an sich. Ich bin der melancholische Sauertopf, sie die quirlige Frohnatur. Wenn ich still sitzen und grübeln würde, springt sie herum, summt fröhliche Lieder, treibt allerhand Unfug.
Ich bin die Zurückhaltende, die Herbe, die Kühle, sie dagegen ist ein kleines Showtalent und liebt Publikum.
„Ich weiß eigentlich gar nicht wie lang meine Zunge ist“ sagt sie und steckt sich einen Rollmeter in den Mund. „Weiter als elf Zentimeter komm ich nicht, ohne zu würgen.“ stellt sie fest und lacht.
Oder sie fragt: „Darf ich mal?“ und leckt über seine Hand „Wegen der Elektrolyte.“ sagt sie und grinst schelmisch.
Manchmal geht mir ihr kindlicher Übermut auf die Nerven. Besonders wenn er dabei ist. „Reiß dich mal zusammen!“ schimpf ich sie dann. „Was sollen denn die Leute denken?“ Das ist ihr völlig egal.
Im Kaffehaus schnappt sie sich ein Päckchen Zitronensaft, schneidet Grimassen und kichert: „Schau, wie komisch man das Gesicht verzieht, wenn etwas so sauer schmeckt. Willst du auch probieren?“ Mir ist das peinlich und er wirft mir genervte Blicke zu. In solchen Momenten würd ich sie am liebsten zuhause einsperren.
„Kannst du nicht ein bisschen erwachsener sein?“ bittet er sie und ich weiß, wie wichtig ihm das ist. Unsere Symbiose irritiert ihn, wir passen nicht in sein fertiges Leben.
„Wir kommen auch alleine klar“ beruhige ich sie „das haben wir immer geschafft“. Ihn kann ich gehen lassen, weil sie alle gehen werden, unser Vater war der erste. Doch ohne sie kann ich noch nicht sein.
„Du bist die nette, blonde Prinzessin aus dem Märchen, die ich eigentlich immer war und ich bin die dunkle Königin geworden, die unser Vater haben wollte, weil die Bösen die Cooleren sind. Wenn du nicht hier wärst, würde ich fallen und zerbrechen, so kalt und starr wie ich nun bin.“ erkläre ich ihr.
„Apropos“, sagt sie “ ich möchte ein Eis“. Das hat sie sich redlich verdient – denn andere bewahren sich ihr inneres Kind, mich hat mein inneres Kind bewahrt.
MoniqueChantalHuber - 7. Jun, 10:22